Fortunato No. 4: Peru/Maranon-Schokolade von "Riegelein"

Im Sortiment der nachhaltig operierenden "Confiserie Riegelein", einem in Cadolzburg bei Nürnberg ansässigen Schokoladen-Unternehmen, dessen Hauptgeschäft saisonale Schokoladen-Figuren sind, gibt es auch eine besondere Single-Origin-Schokolade in limitierter Ausführung. Dabei handelt es sich um eine 68-prozentige pure Dunkelschokolade mit einer seltenen Ur-Kakaosorte aus dem Maranon-Tal in Peru, die von "Felchlin" in der Schweiz Bean-to-Bar hergestellt wird. DNA-Analysen zufolge handelt es sich bei bestimmten alten Bäumen in genetischer Hinsicht vermutlich um Nacional-ähnliche Kakao-Varietäten. Diese Tatsache ist umso bedeutender, da kaum genetisch reine Nacional-Varietäten (laut Kakaoexperte Jan Schubert ist ein 100-prozentiger Nachweis ohnehin nicht möglich, weil kein Referenzmaterial vorhanden ist) existieren bzw. noch nicht wiederentdeckt wurden. Der Geburtsort des originalen Nacional-Kakaos wird jedoch nach wie vor vielmehr in Ecuador vermutet, genauer gesagt im Südosten dieses Landes, zumal letztens dort, nämlich im Jahr 2018 der bislang älteste Kakao-Nachweis (ca. 5300 Jahre) von Wissenschaftlern entdeckt wurde. Vergleichbar alte und als reinsortig angesehene Kakao-Bäume der Sorte "Nacional" soll es aber auch im tiefen Dschungel des "Piedra de Plata"-Tals in Ecuador's Region Manabi geben. Im Jahr 2007 entdeckte der US-amerikanische Umweltaktivist Jerry Toth zusammen mit dem lokalen Kakaobauern "Servio Pachard" einzigartige Bäume mit Kakaofrüchten, deren Existenz, so glaubt man, an jenem Ort vor über 5000 Jahren begonnen habe. Ob es nun wirklich irgendwo im Amazonas-Dschungel 100-prozentig "authentische" Nacional-Kakaos gibt, ist fraglich. Eines bleibt aber sicher: Der Mythos um den heiligen Gral unter den Kakaos und dessen Suche wird ohne Zweifel weitergehen ...

 

Lokal selektionierter "Marana Cluster" - Edelkakao aus dem Maranon-Tal in Peru

 

Was den lokal selektionierten Edelkakao aus dem Maranon-Tal in Peru anbelangt, wurde dieser zufälligerweise ebenfalls im Jahr 2007 wiederentdeckt - von Dan Pearson und Brian Horsley, die abgelegene Landstriche entlang des peruanischen Flusses Marañón bereisten. Bei der Suche nach Obst stießen sie dort auf Kakaobäume, die auf kleinen, abgelegenen Anbauflächen in einer hufeisenförmigen Schlucht zusammen mit vielen anderen Pflanzen in einer biodivers intakten Umgebung wuchsen. Das Besondere an diesem Edelkakao, der vor dem Zeitpunkt der Entdeckung seit Anfang des 20. Jahrhunderts für ausgestorben gehalten wurde (im Jahr 1916 wurden nämlich nahezu alle Kakao-Plantagen mit Nacional-Kakao von Krankheiten befallen und komplett zerstört), ist die Tatsache, dass er auf einer Meereshöhe von über 1000 Metern wächst. Dies ist auf das im Maranon-Tal herrschende Mikroklima zurückzuführen. Eine weitere genetische Besonderheit ist die weiße Farbe der Kakaobohnen, die bei den alten Kakaobäumen jedoch einen Prozentanteil von nur etwa 5 Prozent ausmachen, was sehr wenig ist. Eine deutlich höhere Frequenz an weißem Kakao (40 - 100%) gibt es im unweit gelegenem Piura-Tal Perus. Denn die weißen Bohnen, die man im Maranon-Tal von einer alten Kultur selektioniert hat, wurden anschließend nach Piura gebracht. Somit ist der Piura-Kakao ganz eng verwandt mit dem Urkakao aus dem Maranon-Tal. Bis zu dieser Entdeckung war nicht bekannt, dass "Nacional"-ähnlicher Kakao wie der aus der Gegend um Maranon auch weiß sein kann. Da aber weiße Kakaobohnen nicht automatisch mit einer genetischen Sortenreinheit und hohen aromatischen Eigenschaften einhergehen, wurden folglich Blätterproben an das United States Department of Agriculture, das bedeutendste Genlabor zur DNS-Analyse von Kakao, geschickt. Die auf Kakao-Genetik spezialisierten Forscher Dr. Lyndel Meinhardt und Dr. Dapeng Zhang, die den Kakao damals untersuchten, bestätigten, dass es sich bei der Probe um einen 100-prozentigen Nacional-Kakao handeln soll. Inwiefern diese Hypothese wissenschaftlich ausreichend fundiert ist, ist jedoch umstritten. Denn aus der Sicht des erfahrenen Kakaoexperten Jan Schubert, der sehr viel in Südamerika unterwegs ist und viele Kakaobäume vor Ort inspiziert hat, ist ein 100-prozentiger Nachweis ohnehin nicht möglich, weil kein Referenzmaterial vorhanden ist. Wenn man folglich den Bestand der Kakaobäume im Maranon-Tal in seiner Gesamtheit betrachtet, handelt es sich vielmehr um eine Mischung aus vielen lokal selektionierten Clonen, die als "marañon chistera" (Marana Cluster) behandelt werden. Genetisch stehen sie dem Nacional-Kakao zwar nahe, sind aber in Wirklichkeit kein echter "Nacional". Wenn man dann ab und zu auf weißen Kakao in Maranon antrifft, lässt dies Expertenmeinungen zufolge daraus höchstens schlussfolgern, dass sich die Kakaobäume wahrscheinlich mindestens über mehrere Jahrhunderte hinweg in einer unberührten Regenwald-Landschaft ungestört entwickeln konnten.

 

Schokoladen-Kooperation: Felchlin mit Chocolatier Franz Ziegler und Confiserie Riegelein

 

Nach dieser Erkenntnis reiste Dan Pearson in die Schweiz und ging eine Kooperation mit dem renommierten Chocolatier Franz Ziegler und dem Edelschokoladen-Produzenten “Felchlin“ ein, um aus diesen Kakaobohnen eine hochwertige Ursprungs-Schokolade herzustellen zu lassen. Felchlin ist somit der weltweit erste Schokoladenhersteller gewesen (und bis heute immer noch einer der wenigen Produzenten), der aus dem Maranon-Kakao eine Schokolade kreierte (puristisch vorbildlich ohne Einsatz von Emulgatoren oder Aromen). Mehr als zehn Jahre später gibt es mittlerweile einige qualitätsbewusste Bean-to-Bar Hersteller - vor allem aus den Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien (Fruition, Fresco, Letterpress Chocolate, Chocolate Tree, Ritual, Solkiki) -, die Kakaobohnen aus dem Maranon-Tal verwenden. Aber auch in Europa stellt unter anderem der ungarische Kleinproduzent "Rözsavölgyi" seit einigen Jahren ein geschmacklich hervorragend gelungenes Produkt mit diesen seltenen Bohnen her. Einst gab es ebenso von "Georg Bernardini" (Georgia Ramon aus Bonn) eine limitierte Maranon-Edition.

Die von "Felchlin" hergestellte Maranon-Schokolade wird in Deutschland exklusiv von der Firma "Riegelein" vertrieben. Die Schokoladenmasse, die in der Fabrik in der Schweiz produziert wird, wird anschließend in der Produktionsstätte von "Riegelein" in quadratische Tafeln gegossen.

Wenn man in der Nürnberger Region wohnt, kann man die Schokolade sicherlich direkt in der Verkaufsstelle der Cadolzburger "Chocothek" kaufen. Aktuell kann man sie aber auf jeden Fall im "Eine-Welt-Laden" in Fürth erwerben. Ansonsten gibt es die Kauf-Möglichkeit im Chocri-Onlineshop von "Riegelein", wobei sie zurzeit nicht auf Lager ist.

 

Die untypische Produktbezeichnung "Fortunato No. 4" erschließt sich aus dem Vornamen des Kakaobauern "Fortunato" und der Nummerierung des als ersten auf seinem Land wiederentdeckten Kakaobaums, welcher damals als ein sortenreiner Nacional vermutet wurde. Es war nämlich der vierte Baum in seinem Kakao-Garten, der dieser als verstorben geglaubten Varietät entsprach. Der Kakaoexperte Jan Schubert ist sich allerdings heutzutage sicher, dass es sich höchstens um eine Nacional-ähnliche Varietät handelt. Von daher ist es nach neuestem Wissensstand hauptsächlich eine aus lokal selektionierten Kakaos bestehende Landrasse, die offiziell als "Maranon Cluster" eingestuft wird.

Ein interessanter Fakt über "Riegelein" ist auch, dass die Cadaolzburger Chocolaterie europaweit zu den Marktführern von Schokoladen-Figuren gehört. Zudem hat das Unternehmen im Jahr 2011 auf Fairtrade umgestellt, und seit 2017 enthält das gesamte Sortiment Fairtrade-zertifizierten Kakao aus fairem Handel.

 

Schokoladentest: Fortunato No. 4 "Maranon/Peru" von "Riegelein"

 

Meine Bewertungskriterien:

(A) Duftaromen: 18 / 18 Punkte

(B) Geschmacksaromen: 48 / 48 Punkte

(C) Optik: 3 / 3 Punkte

(D) Schmelz: 3 / 3 Punkte

(E) Zutaten: 18 / 18 Punkte

(F) Nachhaltigkeitseinschätzung: 4 / 4 Punkte

(G) Gesamteindruck: 6 / 6 Punkte

 

Riegelein/Felchlin:

Fortunato No. 4 - Peru/Maranon-Tal 68%

 

MHD: 07/2020

Charge: L109165

Conchierdauer: 60 Stunden

Kakaoherkunft: Peru, Maranon-Tal, Kleinbauern-Vereinigung

Kakaovarietät: Marana Cluster (Landrasse, lokal selektionierter Edelkakao mit teilweise Nacional-ähnlicher Genetik)

 

A) Duftaromen: intensive Marmeladen- und Trockenfrucht-Noten (Kirschen, Trauben, Marcuja, Zitrusfrüchte) mit milden Fermenations-Anklängen, dezente nussige Röstnoten, leichte vegetabile erdige Akzente, dezente Akzente süßer Gewürze (Zimt, Muskatnuss) 15/18

B) Geschmacksaromen: zuerst nussig-malzige und rahmige Akzente, Hauptteil mild-schokoladig und rahmig mit Malz-Charakter, dezent vegetabile Akzente von Gräsern, Blumen und Kräutern, milde Erd-Töne, ausdrucksstarke, aber gut ausbalancierte Marmeladen-Fruchtnoten (Kirschen, rote Pflaumen, Heidelbeeren), leichte Waldhonig-Anklänge, feine Laub- und Erd-Noten, Abgang fruchtbetont und holzig mit erdigen und tanninigen Akzenten, kräuteriger Nachgeschmack leicht adstringierend und fruchtig-erdig mit schwach ausgeprägter Bitterkeit im Ausklang 44/48

C) sehr gut 3/3

D) optimale Schmelzeigenschaften 3/3

E) Kakaomasse, Rohrzucker, Kakaobutter: sehr gut 18/18

F) sehr gut: nachhaltige und qualitätsbewusste Bean-to-Bar Schokoladenproduktion in der Schweiz (Felchlin), seltene und alte Edelkakao-Sorte aus nachhaltigem Anbau, faire und direkte Partnerschaft mit Kakaobauern 4/4

G) Gesamteindruck 6/6

Gesamtpunkte: 93/100

 

Fazit: In aromatischer Hinsicht bietet die 68-prozentige "Fortunato No. 4"-Schokolade, die ein Kooperationsprodukt zwischen dem Bean-to-Bar Hersteller “Felchlin“ und der "Confiserie Riegelein" sowie dem Chocolatier "Franz Ziegler ist, meiner Meinung nach ein bemerkenswert komplexes Aromenspektrum, das sich besonders schokoladig-mild und gleichzeitig intensiv fruchtig zeigt. Sie verströmt einen sehr angenehm fruchtbetonten und fermentiert lieblichen Duft, der an eine harmonisch ausgefeilte Verschmelzung von Trockenfrüchten mit Marmelade aus roten Früchten, die von vegetabilen Erd- und Gewürz-Tönen begleitet werden, erinnert. Geschmacklich steht ihre marmeladige Fruchtigkeit mit deutlichen Noten von Kirschen, roten Pflaumen und Heidelbeeren, die sich hier prägnant entfalten, im Vordergrund. In Kombination mit ihrem rahmig-schokoladigen Malz-Charakter sowie milden Erd- und Laub-Akzenten, die von kräuterigen Gras- und Blumen-Anklängen und einer leichten Waldhonig-Note unterstützt werden, stellt sie ein ausreichend intensives und spannendes, aber trotzdem gut ausbalanciertes Aromenprofil dar. Leichte, zu keinem Zeitpunkt penetrant werdende, sondern vielmehr organoleptisch bereichernde Fermentations-Akzente, unterstreichen aus meiner Sicht umso mehr die hohe Kakao-Qualität des Maranon-Kakaos. Ein gelungener Mix aus Früchten, Marmelade, Malz und Rahm mit erdigen und vegetabilen Komponenten, den man probiert haben sollte, da er in keinster Weise an einen typisch blumigen "Arriba" mit orangig-zitronigen und kräuterig-grasigen Akzenten, wie man ihn oft aus dem nahe gelegenen Ecuador kennt, erinnert. Auch die Schmelzeigenschaften sind aus meiner Sicht perfekt. Anhand der 60-stündigen Conchierdauer - sicherlich mithilfe einer traditionellen Längsreiber-Conche - merkt man sofort “Felchlin's“ charakteristischen Produktionsstil, der von harmonisch aufeinander abgestimmten Aromen ohne Übertreibungen geprägt ist.

 

Bemerkung: Als unparteiischer Schokoladen-Blogger vertrete ich keine einzelnen Hersteller oder Vertriebe und richte mich nur nach gutem Geschmack und den Werten der Schokoladenhersteller.

Wenn ich Interesse mit meinen Schokoladenempfehlungen geweckt habe, so möchte ich lediglich als Hilfestellung aufzeigen, wo und wie man derartige Schokoladen kaufen kann.