Vom Schweizer Schokoladenhersteller "Lindt", der neben "Barry Callebaut", "Cargill", "Mondelez", "Nestle" & Co. zu den weltweit größten und umsatzstärksten Konzernen im Kakaoverarbeitungs-Sektor gehört, gibt es drei neue dunkle Milchschokoladen - mit einem für Lindt-Verhältnisse verhältnismäßig hohen Kakaoanteil (45%, 55%, 65%) sowie einer einigermaßen vertretbaren Zutatenliste. Sojalecithin als Emulgator sowie Butterreinfett sind zwar nach wie vor enthalten, aber immerhin wurde auf künstliches Aroma wie Vanillin verzichtet. Für den Großteil der anderen süßeren Vollmilchschokoladen im klassischen Lindt-Sortiment wird leider weiterhin künstliches Aroma verwendet. Die traditionellen Dunkelschokoladen (dünne Tafelformen) aus der Excellence-Reihe - zwischen 70 und 99 Prozent - enthalten aber natürliche Vanille.
Geschmacklich und texturell sind alle drei Milchschokoladen in Ordnung und bei weitem besser gelungen als die billigsten Discounter-Schokoladen inklusive der klassischen "Milka Alpenmilch", jedoch aromatisch nichts Außergewöhnliches. Am schwächsten schneidet die 55-prozentige Lindt-Sorte ab, da sie nur einfache milchig-karamellige Noten ohne nennenswerte Nebenaromen anzubieten hat (84 Punkte). Die weniger kakaohaltige Variante mit 45 Prozent zeigt sich hingegen erstaunlicherweise etwas komplexer und schokoladiger im Geschmack - mit einem deutlicheren Milchkaramell-Charakter und einer lieblicheren Rahmnote (85 Punkte). Die dunkelste Milchschokolade, die 65 Prozent Kakao enthält, ist verständlicherweise die schokoladigste und fruchtigste (die einzige mit erkennbaren Fruchtakzenten in Form von Erdbeeren und Fruchtjoghurt) von allen dreien, gleichzeitig auch die rahmigste mit buttrigen und sahnigen Akzenten (90 Punkte).
Die strategischen Bemühungen von "Lindt", in sozialer und ökologischer Hinsicht durch gezieltes Marketing so nachhaltig wie möglich in der Öffentlichkeit zu wirken, erscheint in meinen Augen noch lange nicht transparent und glaubwürdig genug (übrigens: den Großteil des Kakaos bezieht Lindt aus Ghana). In dieser Hinsicht ist sogar "Ritter Sport" deutlich weiter, wenn man bedenkt, dass das deutsche Familienunternehmen schon seit Anfang der 90er Jahre ökologisch arbeitende Bauern-Kooperativen in Nicaragua (aber bis heute ohne offizielle Bio-Zertifizierung bis auf wenige Ausnahmeprodukte) und neuerdings jetzt auch in Ghana unterstützt. Auch Ritter Sport's Kakaoplantage "El Cacao", bei der umweltschonende Agroforst-Methoden eingesetzt werden, ist ein positives Beispiel in die richtige Richtung. Von daher sind die Nachhaltigkeits-Bekundungen und Versprechen vom Schweizer Konkurrenten "Lindt" meiner Meinung nach zumindest umstritten und mit ehrlichen und ethisch denkenden Bean-to-Bar Herstellern wie z. B. Zotter oder Felchlin, die sich nur auf nachhaltig angebaute Edelkakaos konzentrieren, in keinster Weise zu vergleichen.
Die neuen Lindt-Milchschokoladen präsentiere ich nur wegen der gut gemeinten Idee mit dem höheren Kakaogehalt, der verbesserten Rezeptur ohne Vanillin bzw. Vanille und der Tatsache, dass zumindest die 65-prozentige Sorte (trotz fehlender Information, woher der hier verwendete Kakao stammt und in welchen Bedingungen er angebaut wurde) mit einer angenehmen Erdbeer- und Joghurt-Note geschmacklich heraussticht - zumindest für Mainstream-Verhältnisse. Die Aromenprofile der beiden anderen Varianten mit 45 und 55 Prozent Kakao sind meines Erachtens zu einfach gestrickt und demzufolge für eine explizite Testbeurteilung bedingt geeignet.
Schokoladentest: Dunkle Milchschokolade 65% von "Lindt"
(A) Duftaromen: 18 / 18 Punkte
(B) Geschmacksaromen: 48 / 48 Punkte
(C) Optik: 3 / 3 Punkte
(D) Schmelz: 3 / 3 Punkte
(E) Zutaten: 18 / 18 Punkte
(F) Nachhaltigkeitseinschätzung: 4 / 4 Punkte
(G) Gesamteindruck: 6 / 6 Punkte
Lindt - dunkle Milchschokolade 65%
MHD Charge: 06/2020
Kakaoherkunft: genaue Angaben fehlen (vermutlich aus Ghana)
Kakaovarietät: genaue Angaben fehlen
A) Duftaromen: prägnanter Sahnekaramell-Charakter mit Akzenten von Malz, Rahm und Butter, intensive Schokomilch-Noten 15/18
B) Geschmacksaromen: zuerst rahmig-buttrige und karamellig-kakaoige Akzente, Hauptteil pur schokoladig-malzig mit dunklem Trinkschokoladen-Grundton, buttrig-rahmige und sahnige Akzente, dezente Fruchtnoten (Erdbeeren, Pflaumen-Anklänge, Fruchtjoghurt-Anklänge), Abgang kakaoig-sahnig, dezent bitter und leicht fruchtig, Nachgeschmack kakoig und dezent tanninig mit holzig-fruchtigen Anklängen und dezenter Bitterkeit 44/48
C) sehr gut 3/3
D) einwandfreie Schmelzeigenschaften 3/3
E) Kakaomasse, Kakaobutter, Zucker, Sahnepulver, Butterreinfett, Emulgator (Sojalecithin): gut 16/18
F) ausreichend: dokumentiertes Nachhaltigkeitsprogramm mit Kakaobauern in Ghana 2/4
G) Gesamteindruck 5/6
Gesamtpunkte: 88/100 (offiziell) - wenn hier nur der Geschmack und die Schmelzeigenschaften in die Gesamt-Bewertung einfließen würden, hätte sie definitiv das Potenzial für "90 Punkte"
Fazit: Da eine Beurteilung in Sachen Transparenz und Nachhaltigkeit hier nicht leicht ist, beziehe ich mich bei der hier getesteten dunklen Milchschokolade nur auf den Geschmack. Denn aromatisch hat sie durchaus etwas zu bieten, was ohne Zweifel durch den hohen Kakaogehalt von 65 Prozent möglich wurde. Überraschenderweise wurde hier überhaupt keine Milchpulver verwendet, sondern Sahnepulver und Butterreinfett stattdessen. Sicherlich dadurch, aber auch wegen des hohen Kakaobutteranteils, erhält sie besonders starke Schmelzeigenschaften und wirkt schon fast butterweich, besonders in der heißen Sommerzeit. Die Lindt-Neuheit schmeckt meiner Meinung nach sogar bemerkenswert gut und erstaunlich süß (trotz nur etwa 20% Zucker) - schokoladig-malzig mit einem dunklen Trinkschokoladen-Grundton und buttrig-rahmigen und sahnigen Akzenten. Das Interessanteste an ihr ist aber die im späteren Verlauf hinzukommende Fruchtigkeit, die sich ziemlich eindrucksvoll, aber harmonisch in Form von Erdbeeren und Yoghurette-artigen Fruchtjoghurt-Anklängen ausdrückt. Anhand ihres intensiv kakaoigen und tanninigen Abgangs mit einem deutlich bemerkbaren bitteren, aber nicht zu bitteren Nachgeschmack kann der höhere Kakaoanteil gut nachvollzogen werden. Da es bislang wohl die einzige Milchschokolade in Deutschland mit einem derart hohen Kakaogehalt im Mainstream-Sektor ist und nebenbei gar nicht schlecht schmeckt, ergibt eine Probierempfehlung Sinn - zumindest in Vergleichs-Funktion mit anderen hochwertigeren Konkurrenz-Produkten aus der Bean-to-Bar Bewegung, aber auch als Kennenlern-Schokolade für weniger geübte Einsteiger, die intensivere Kakao-Aromen in Verbindung mit milden und lieblichen Sahne-Eigenschaften erfahren möchten. Ein großer Vorteil, der sich positiv auf die organoleptische Gesamtkomposition auswirkt, ist das bewusste Weglassen jeglicher künstlicher oder natürlicher Zusatzaromen (Vanillin, Vanille etc.).
Bemerkung: Als unparteiischer Schokoladen-Blogger vertrete ich keine einzelnen Hersteller oder Vertriebe und richte mich nur nach gutem Geschmack und den Werten der Schokoladenhersteller.
Wenn ich Interesse mit meinen Schokoladen-Empfehlungen geweckt habe, so möchte ich lediglich als Hilfestellung aufzeigen, wo und wie man derartige Schokoladen kaufen kann.