Michel Cluizel - Weltklasse Riachuelo Plantagen-Schokolade

Vom französischen Chocolatier-Altmeister Michel Cluizel gibt es eine neue Ursprungs-Schokolade, die sowohl in geschmacklicher als auch in ökologischer Hinsicht zweifellos in der Liga der weltbesten Schokoladen einzuordnen ist. Eine hervorzuhebende Stärke dieser besonderen Plantagen-Schokolade ist nicht nur ihr unverkennbarer Fudge- und Nougat-Charakter, der in seiner Art, wie er auf den Gaumen wirkt und sich darin entfaltet, seinesgleichen sucht. Sie hat auch weit mehr als nur eine perfekt ausbalancierte und liebliche Fruchtigkeit zu bieten, die geschmacklich an eine gelungene Mischung von Aromen, die man am ehesten aus Madagaskar und vom Piura-Tal Perus kennt, erinnert. Auch ihre Schmelzeigenschaften kann ich mir kaum besser vorstellen - sie zergeht äußerst delikat auf der Zunge. Wie es scheint, erachtete ich nicht durch Zufall eine andere Cluizel-Neuheit der Winter-Saison 2018/19, nämlich die dunkle 51%-Milchschokolade, die mit den gleichen brasilianischen Kakaobohnen wie die dunkle 70%-Variante gemacht wird, als eine der aktuell weltbesten Milchschokoladen.

Verwendet wird brasilianischer Edelkakao aus dem Süden der Region Bahia, der mit nachhaltigen Agroforst-Methoden mitten im Atlantischen Regenwald auf der Plantage "Riachuelo" angebaut wird. Die Plantage befindet sich in der Nähe der einst international bedeutenden Hafenstadt Ilhéus. Besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte diese Gegend eine große Blütezeit hauptsächlich durch den Anbau von Kakao. So gehörte damals Kakao sogar zu den Exportschlagern schlechthin. Aber nachdem Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre nahezu alle Kakaobäume vor allem aufgrund der intensiven Monokultur-Philosophie durch die Hexenbesenkrankheit ausgerottet worden sind, ging es in dieser Region wirtschaftlich, ökologisch und sozial bergab. Heutzutage ist Tourismus die größte Einnahmequelle in der Meer-Region Süd-Bahias. Seit einigen Jahren beginnt man wieder Kakao in der Küstengegend der Mata Atantica in Süd-Bahia vermehrt zu kultivieren. Wie es scheint, haben die Menschen aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Denn die lokalen Landwirte, die vernünftiger und zukunftweisender zu denken beginnen, setzen sich deutlich engagierter dafür ein, dass ihre Produkte wie auch der Kakao nachhaltig angebaut werden. So entstehen aktuell besonders in den Regenwaldgebieten im Süden Bahias auch immer mehr ökologisch arbeitende Kleinbauern-Kooperativen wie z. B. die Genossenschaft "Cabruca", die sich auf agroforstwirtschaftlich bzw. biodynamisch angebaute Edelkakao-Sorten spezialisieren. Inzwischen gibt es sogar von Naturata, einem auf Bio-Feinkost spezialisiertem Unternehmen aus Deutschland, seit Herbst 2018 eine geschmacklich durchaus solide, aber aromatisch einfacher gestaltete 70-prozentige Schokolade mit dem Brasilien-Edelkakao der Cabruca-Bauern - und das sogar in zertifizierter Demeter-Qualität, was gerade im Bereich Kakao sehr selten anzutreffen ist. Das Preis-Leistungs-Verhältnis dieser puren Schokolade ohne Vanille und Lecithine, die in der Schweiz, wahrscheinlich in der Fabrik von Chocolat Halba, produziert wird, ist bei 3,49 Euro pro 80 Gramm zwar auf Bio-Supermarkt-Verhältnisse bereits im obersten Preissegment, aber in Anbetracht des hohen ökologischen Aufwands noch durchaus vertretbar. Ob auch der Preis, der wiederum im Feinschmecker-Sektor als eher preisgünstig einzustufen ist, für Bio-Kunden noch preislich vertretbar ist, sei mal dahingestellt. Hierfür bedarf es ohnehin vernünftiger Aufklärungsarbeit, die in Bio-Geschäften aus unterschiedlichen Gründen in entsprechender Qualität in der Regel nicht gewährleistet werden kann.

Auf der Cluizel-Plantage "Riachuelo" werden die Kakaobäume ebenso nach ökologischen Agroforst-Prinzipien behandelt, wo sie in einer natürlichen Regenwald-Umgebung, in Mischkulturen zwischen heimischen Baumarten wie dem Balatabaum (Maçaranduba) oder Pau d'Arco wachsen. Wie man anhand eines kurzen, aber anschaulichen Filmbeitrags von Michel Cluizel über die Arbeitsweise auf "Riachuelo" die Philosophie sehr gut nachvollziehen kann, ist kein einziger Arbeitsschritt dem Zufall überlassen. Aus diesem Grund sind auch die verwendeten Fermentations- und Trocknungsanlagen sehr modern, wo die Kakaobohnen nach der Ernte so gut wie möglich mit dem Ziel der optimalen Aromenentfaltung sorgfältig weiterbehandelt werden. Da bisher keine andere Schokoladenfirma Kakaobohnen von der Plantage "Riachuelo" verwendet hat, scheint aller Voraussicht nach Michel Cluizel einen Exklusiv-Vertrag mit den brasilianischen Farmern bei Ilhéus zu haben. Das französische Traditionsunternehmen, das 2018 ihr 70-jähriges Jubiläum gefeiert hat, spezialisiert sich nach wie vor als einer der weltweit wenigen Schokoladenproduzenten auf die Herstellung von Single-Plantation-Schokoladen. So sind es aktuell zusammen mit "Riachuelo" insgesamt sechs qualitätsbewusste Kakao-Plantagen aus unterschiedlichen Tropenländern, die ausschließlich mit der Bean-to-Bar Chocolaterie aus Nordfrankreich zusammenarbeiten. Michel Cluizel gehört aber auch zu den internationalen Vorreitern auf dem Gebiet der reinen Plantagen-Schokoladen.

Im Vergleich zu den anderen Plantagen-Schokoladen von Michel Cluizel, die seit Jahren im Sortiment fest etabliert sind, ist die neue Riachuelo-Schokolade zumindest in Deutschland deutlich schwächer vertreten. Möglicherweise spielt auch eine geringere Erntemenge an Kakaobohnen aus der brasilianischen Plantage eine Rolle, da es sich noch um ein junges Projekt aus dem Hause Cluizel handelt. Im Umkehrschluss bedeutet es, dass weniger Schokoladentafeln produziert werden können. Ich gehe davon aus, dass der französische Schokoladenhersteller von Jahr zu Jahr bestimmt immer mehr Kakao zu Verfügung haben wird. Wenn man die Schokolade in einem deutschen Geschäft online erwerben möchte, zurzeit gibt es sie auf jeden Fall bei "Feine Schokolade Dressler" und "Pralinenideen".

 

Schokoladentest: Riachuelo Brasilien-Plantagenschokolade von Michel Cluizel

 

Meine Bewertungskriterien:

(A) Duftaromen: 18 / 18 Punkte

(B) Geschmacksaromen: 48 / 48 Punkte

(C) Optik: 3 / 3 Punkte

(D) Schmelz: 3 / 3 Punkte

(E) Zutaten: 18 / 18 Punkte

(F) Nachhaltigkeitseinschätzung: 4 / 4 Punkte

(G) Gesamteindruck: 6 / 6 Punkte

 

Michel Cluizel - Brasilien -

Riachuelo Plantage 70%

 

MHD Charge 31/01/2020

Kakaoherkunft: Brasilien, Region Bahia, Gemeinde Ilhéus, Plantage „Riachuelo“

Kakaovarietät: ortstypische Kakao-Varietäten

 

A) Duftaromen: intensive Fruchtnoten (Trockenfrüchte, roter Beeren-Mix), feiner Butterkaramell-Akzent, lieblich-nussige Anklänge 15/18

B) Geschmacksaromen: sehr milde und harmonische Aromen-Komposition von Anfang bis Ende, zuerst sofort fudge-artige Karamell-Akzente mit mit gerösteten Nüssen, Hauptteil geprägt von Schoko-Fudge-Kuchen mit intensiven Noten von Nuss-Nougat, Butter, Rahmkaramell und harmonisch ausbalancierten Fruchtnoten (marmeladig: rote Beeren, Maracuja), leicht ledrige Anklänge im Hintergrund, Abgang nussig-karamellig und fruchtig 46/48

C) sehr gut 3/3

D) perfekte Schmelzeigenschaften 3/3

E) Kakaomasse, Rohrzucker, Kakaobutter, gemahlene Vanilleschoten: sehr gut 18/18

F) sehr gut: direkte und nachhaltige Kooperation mit brasilianischer Kakaoplantage; qualitätsbewusste Produktionsweise mit größter Sorgfalt 4/4

G) Gesamteindruck 6/6

 

Gesamtpunkte: 95/100

 

Fazit: Die neue Riachuelo-Plantagenschokolade von Michel Cluizel ist ohne Witz ein nahezu perfekt gelungener Geniestreich und somit eine herrliche Bereicherung im Sortiment des nordfranzösischen Schokoladenmeisters. Die feinschmelzende Textur der Schokolade gefällt mir sehr, zumal sie weder zu schnell wegschmilzt noch wässrige Eigenschaften aufweist, obwohl zusätzlich Kakaobutter zur Kakaomasse hinzugefügt wurde. Und was die sensorischen Aspekte anbelangt, verfügt sie über ein elegant und harmonisch gut aufeinander abgestimmtes Aromenspektrum, das einen milden und lieblichen Eindruck hinterlässt, ohne dass an geschmackstragenden Aromen eingebüßt wird bzw. diese zu schwach zum Ausdruck kommen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Sie duftet sehr fruchtig nach Trockenfrüchten und roten Beeren, die von Butterkaramell und Fudge sowie nussigen Noten begleitet werden. Geschmacklich zeichnet sie sich durch einen eleganten Schoko-Fudge-Kuchen Charakter aus, der von intensiven, aber milden Nuss-Nougat-, Rahm- und Karamell-Noten unterstützt wird. Sie ist auch besonders fruchtig: die komplexen Fruchtnoten (v. a. rote Beeren, Maracuja) entfalten sich im Finale zwar ziemlich ausdrucksstark, kommen aber auf eine liebliche, wohlschmeckende Art rüber. Zum Schluss zeigen sich stark im Hintergrund leicht ledrige Anklänge, die zusammen mit all den anderen Aromen eine der zurzeit weltweit besten Dunkelschokoladen ergeben, deren Kakao nur aus einer einzelnen Plantage stammt. Ein weiterer Pluspunkt hier ist auch (zumindest für mich persönlich!), dass obwohl gemahlene Vanilleschoten laut Rezeptur enthalten sind, diese sensorisch kaum spürbar sind und somit glücklicherweise die Entfaltung der interessanten Kakao-Aromen überhaupt nicht behindern. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Vanille-Zugabe bewusst nur ganz dezent dosiert wurde. Sicherlich war es auch im Sinne des Herstellers, den einzigartigen Geschmack des brasilianischen Kakaos mit all seinen positiven Facetten voll zur Geltung zu bringen. Idealerweise hätte Cluizel die Vanille von vornherein ganz weglassen sollen, zumal dieser Rohstoff ohnehin zu den teuersten Gewürzen der Welt gehört und im Zusammenspiel mit hochwertigem Edelkakao immer das Risiko besteht, dass gerade die hervorzuhebenden Aromen schlechter zugänglich werden. Warum Michel Cluizel nach wie vor darauf beharrt, Vanille zu allen Ursprungs-Schokoladen hinzuzufügen, ist mir wirklich ein Rätsel. Das wäre meiner Meinung nach genau die eine Sache, wo der Hersteller ohne Qualitätsverlust Geld sparen könnte. Dieses übriggebliebene Geld könnte Cluizel stattdessen noch mehr in die Produktion von Edelkakao investieren, um so eventuell dessen gesamtes Spektrum an dunklen Schokoladen in aromatischer Hinsicht weiter zu verbessern. Es gäbe sowieso so viele andere Süßspeisen, Desserts oder Kuchen, wo echte Vanilleschoten viel besser aufgehoben wären. Meine Meinung hierzu ist eindeutig: Eine gute Schokolade, die mit qualitativen Kakaobohnen hergestellt wird, braucht keine Vanille. Nichtsdestotrotz sollte man die Riachuelo-Schokolade als Kakao-Liebhaber unbedingt probiert haben. Ihr aromatisches Niveau ist Weltklasse und deshalb zurecht aktuell auf einem Spitzenplatz im Ranking meiner Lieblings-Schokoladen.

 

Bemerkung: Als unparteiischer Schokoladenblogger vertrete ich keine einzelnen Hersteller oder Vertriebe und richte mich nur nach gutem Geschmack und den Werten der Schokoladenhersteller.

Wenn ich Interesse mit meinen Schokoladenempfehlungen geweckt habe, so möchte ich lediglich als Hilfestellung aufzeigen, wo und wie man derartige Schokoladen kaufen kann. Die Schokoladen von Michel Cluizel sind deutschlandweit vergleichsweise gut erhältlich. Allerdings ist die neue Riachuelo-Plantagenschokolade in Deutschland deutlich schwerer zu finden. Da die geerntete Kakaomenge auf "Riachuelo" nicht unendlich groß sein kann, sondern begrenzt ist, und möglicherweise im Vergleich zu den anderen Cluizel-Plantagen wahrscheinlich noch kleiner ausfällt, muss folglich die Produktionskapazität der neuen Schokoladensorte entsprechend geringer sein. Der allgemeinen Knappheit von begehrten Rohstoffen, die in allerhöchster Qualität angebaut werden, sollte man sich schon bewusst sein. Man kann die 70%-Riachuelo-Schokolade online unter anderem bei "Feine Schokolade Dressler" oder "Pralinenideen" kaufen.