Viel Lärm um nichts - Der Rohschokoladen-Irrsinn

Bevor es mit dem Artikel losgeht, hier ein lesenswerter Blog-Beitrag zum Thema, wie man die geschmackliche Qualität von Schokolade beurteilt.

 

Was steckt hinter dem Hype um Rohschokolade?

 

Echte Rohschokoladen existieren vermutlich nicht!

 

Viel Wirbel um ein Produkt (Rohschokolade), das es in dieser Form nicht geben kann. Warum? Das verrate ich dir in diesem Blog-Beitrag.

 

ROHSCHOKOLADE?

Wenig verarbeitete Produkte ohne Konservierungs- und Zusatzstoffe sowie schonendere Verarbeitungsmethoden bei Lebensmitteln in der Ernährung rücken vermehrt in den Fokus. In diesem Zusammenhang steht vor allem die populärer werdende Rohkostbewegung im Vordergrund, die oft an eine vegane Ernährungsweise geknüpft ist. Die Lebensmittelbranche hat diesen Trend aufgegriffen und produziert gezielt alltagstaugliche Junkfood-Produkte in Form von gesünderen Alternativen, die nährstoffreicher sind und gleichzeitig weniger Zucker oder Salz enthalten. Auch rohe Schokolade spielt hier eine bedeutende Rolle. Leider gibt es jedoch unter geschmacklichen und produktionstechnischen Gesichtspunkten nach wie vor weltweit nur sehr wenige Produkte, die mit den besten Schokoladen aus der internationalen Bean-to-Bar Szene mithalten können. Warum das so ist und was tatsächlich mit Rohschokolade gemeint ist, erfährst du in diesem Artikel.

 

Inhaltsverzeichnis:

 

1. WAS IST ROHSCHOKOLADE?

Rohschokolade wird im Gegensatz zur traditionell gemachten Schokolade aus ungerösteten Kakaobohnen hergestellt, nicht mehr und nicht weniger.

 

2. ROHSCHOKOLADE – NUR THEORIE

Die Bezeichnung „Rohschokolade“ ist irreführend und nicht ehrlich, weil es sich vielmehr um eine Art von minimal verarbeiteter Schokolade handelt.

 

3. ROHSCHOKOLADEN-GRUNDGEDANKE

Bei der Herstellung werden nur rohe Zutaten (unter 45 Grad Celsius) verwendet. Die Probleme: während der Kakao-Fermentation in den Tropen und der Vermahlung im Melangeur sind Temperaturen von über 50 Grad nicht selten.

 

4. ROHSCHOKOLADE GESÜNDER?

Es gilt: Je weniger eine Schokolade verarbeitet wurde, desto gesünder soll sie sein, weil die gesundheitsfördernden Pflanzenstoffe des Kakaos besser erhalten bleiben.

 

5. ROHSCHOKOLADE – EIN MYTHOS?

Der Begriff „Rohschokolade“ wird leider oft missbraucht. Stattdessen sollte man sich bewusst werden, dass rohe Kakaobohnen von Natur aus organoleptische Eigenschaften besitzen, die durch die Faktoren Mensch, Zeit und Umwelt beeinflusst werden.

 

6. ANTIOXIDANTIEN-CHALLENGE

Kakaobohnen sind nährstoffreicher und süßer, wenn die geernteten Kakaoschoten nicht sofort geöffnet werden. Vielleicht ist diese Methode sinnvoller als das Roh-Konzept ohne längerer Früchte-Lagerung?

 

7. ZEREMONIELLER KAKAO – KLUGES MARKETING ODER INNOVATION?

Zeremonieller Kakao ist aktuell ein neuer Hype – nach dem Vorbild der alten Maya-Tradition von heißer Trink-Schokolade. Es handelt sich aber um reine 100-prozentige Kakaomasse, die klassisch Bean-to-Bar verarbeitet und geröstet wird. Dieser Kakao soll besonders gesund sein, obwohl er nicht roh ist.

 

8. BELIEBTHEIT VON ROHSCHOKOLADE IM BIO-BEREICH

Rohschokoladen sind besonders im Bio-Supermärkten beliebt. Die größere Verfügbarkeit von Pseudo-Rohschokoladen ist auf den Anstieg von gesundheitsbewusst lebenden Menschen der jüngeren Generationen zurückzuführen.

 

9. PREIS-LEISTUNGS-VERHÄLTNIS VON BIO-ROHSCHOKOLADE

Rohschokoladen aus dem Bio-Markt haben bei weitem nicht die gleiche Qualität wie hochwertige Produkte von kleinen Bean-to-Bar Produzenten – weder geschmacklich noch zutatenmäßig.

 

10. SO GEHT’S GENUSSVOLLER, EHRLICHER UND TRANSPARENTER

 Nicht zufällig gibt es weltweit nur sehr wenige erstklassige Schokoladenhersteller, die minimal verarbeitete Schokoladen mit hochwertigen Aromen produzieren. Ich stelle dir transparente Unternehmen vor, die ein Weltklasse Niveau bieten.

 

Rohschokoladen-Hype (Prolog)

 

Rohschokolade ist besonders in der Gesundheits- und Lifestyle-Branche aktueller denn je. Rohkakao wird hier bewusst nicht thematisiert, weil er im Gegensatz zur Rohschokolade ein ursprünglicherer Naturstoff ist und deshalb anders als das Endprodukt zu bewerten ist. Jüngst ist zeremonieller Kakao ebenso Teil dieser Bewegung geworden. Dieser erweckt marketingmäßig den Anschein, auch roh zu sein, wird allerdings traditionell geröstet. Durch einen allgemein weltweit stetig ansteigenden Wohlstand gibt es in vielen Ländern – abgesehen von der Corona-Pandemie – folglich immer mehr gesundheitsbewusste Menschen.

 

Wenig verarbeitete Produkte ohne Konservierungs- und Zusatzstoffe und dergleichen bzw. schonendere Verarbeitungsmethoden bei Lebensmitteln in der Ernährung rücken vermehrt in den Fokus. In diesem Zusammenhang steht vor allem die immer mehr an Bedeutung gewinnende Rohkostbewegung im Vordergrund, die oft an eine vegane oder zumindest stark pflanzenbasierte Ernährungsweise geknüpft ist. Die Lebensmittelbranche hat diesen Trend aufgegriffen und produziert gezielt alltagstaugliche und verzehrfertige Junkfood-Produkte in Form von gesünderen Alternativen, die nährstoffreicher sind und gleichzeitig weniger Zucker oder Salz enthalten.

 

Auch rohe Schokolade spielt hier eine Rolle. In dieser Kategorie gibt es jedoch unter geschmacklichen und produktionstechnischen Gesichtspunkten nach wie vor weltweit nur sehr wenige Produkte, die mit den besten Schokoladen aus der internationalen Bean-to-Bar Szene mithalten können. Warum das so ist und um es spannender zu machen, werde ich die nach und nach im weiteren Verlauf dieser Abhandlung verraten.

 

1. Was ist Rohschokolade?

 

Rohschokolade wird im Gegensatz zur traditionell gemachten Schokolade aus ungerösteten Kakaobohnen hergestellt. Ihr wird nachgesagt, besonders gesund zu sein. Diese universell verbreitete Behauptung beruht weitgehend auf dem Prinzip der Rohkosternährung, d. h. Lebensmittel werden nie über 42 – 47 Grad Celsius erhitzt, weil sonst gesundheitsfördernde Enzyme zerstört oder zumindest stark beeinträchtigt werden. Der Rohkosttheorie zufolge sollen diese natürlichen Enzyme essenziell für ein gesundes Verdauungssystem und einen allgemein guten Gesundheitszustand sein.

 

Darüber hinaus soll das Erhitzen auch weitere temperaturempfindliche Stoffe wie Vitamine, diverse Fettsäuren und Proteine beeinträchtigen. Das Rösten der Kakaobohnen ist allerdings ein unverzichtbarer Produktionsschritt bei der Schokoladenherstellung. Seriöse Bean-to-Bar Hersteller, die aus dem Kakao das Bestmögliche an den vorhandenen Aromen herausholen möchten, bestätigen dies aus eigener Praxiserfahrung.

 

Während der Röstung erfolgt die Maillard-Reaktion. Diese chemische Reaktion trägt dazu maßgeblich bei, dass die positiven Aromen der Kakaobohnen sich entfalten können. Schon alleine die Röstung ist eine Kunst für sich, da jede Kakaobohnen-Sorte abhängig von ihren organoleptischen und physikalischen Eigenschaften an eine entsprechend angepasste Röstungsweise gekoppelt ist.

 

2. Rohschokolade – nur Theorie

 

Ehrlicherweise existiert rohe Schokolade nur in der Theorie, aber nicht in der Praxis. In der Lebensmittel-Gesundheitsbranche ist zwar oft von authentischer Rohkost-Qualität die Rede, nachgewiesen durch z. B. entsprechende Standards oder Zertifikate ist sie aber nicht. Nicht nur meiner Einschätzung nach sind es kaum erfüllbare Versprechungen, weil sie an der Realität vorbeischießen. Anstelle der Bezeichnung „Rohschokolade“ handelt es sich vielmehr um eine Art minimal verarbeitete Schokoladen.

 

Bereits aufgrund der Tatsache, dass auch eine rohe Schokolade bis zum fertigen Produkt viele Verarbeitungsschritte hinter sich hat, ist sie mit rohen Kakaobohnen nicht gleichzusetzen. Ernstzunehmende Schokoladenhersteller produzieren sicherlich zurecht keine „echten“ Rohschokoladen, weil die damit einhergehenden Herausforderungen aromatischer Art sowie potenzielle gesundheitsgefährdende Auswirkungen (auf die Gesundheitsgefahren werde ich später näher eingehen) die Entwicklung von zumindest geschmacklich qualitativen Gourmet-Produkten sehr erschweren.

 

3. Rohschokoladen-Grundgedanke

 

Während des gesamten Herstellungsprozesses sollen nur rohe Zutaten verwendet werden. Solange die Lebensmittel-Rohstoffe nicht über 47 Grad Celsius erhitzt werden, gelten sie noch als „roh“.

 

In der Praxis ist es kaum umsetzbar. Bereits während der Kakao-Fermentation in den Tropen ist ein Temperaturanstieg von über 50 Grad keine Seltenheit. Hinzu kommt, dass auch im Melangeur bei der Vermahlung der Kakaobohnen zur Kakaomasse reibungsbedingte Wärme entsteht. Die Temperaturen, die normalerweise in einem Melangeur oder einer Conche vorherrschen, sind ebenso selten unter 50 Grad Celsius.

 

Viele Rohschokoladen-Unternehmen deklarieren ohne jegliche Nachweise bei den Praktiken der Kakaobauer, dass sie nur Kakaobohnen verwenden, die während der gesamten Fermentation die 47-Grad-Marke nie überschritten haben. Wie viele Schokoladenexperten (u. a. Georg Bernardini, Clay Gordon, Stephanie Zonis, Megan Giller, Sharon Terenzi,) bin auch ich der Meinung, dass eine solch präzise Kontrolle kaum möglich ist. Übrigens fehlt oft die nötige Transparenz.

 

Die meisten Bio-Produzenten dieser Art sind oft selbst keine Bean-to-Bar Produzenten, d. h. sie führen alle Verarbeitungsschritte von der rohen Kakaobohne bis zur fertigen Schokoladentafel nicht selbst durch. Außerdem kaufen sie auf Vertrauensbasis von einem Kooperationspartner die bereits fertige Rohkakaomasse ein. Da es für „Rohschokolade“ bislang noch keine offiziellen Zertifizierungen gibt, die international festgelegte und überprüfbare Standards erfüllen, bleibt die Einhaltung der für Roh-Standards erforderlichen Temperatur-Kriterien durch die Hersteller meiner Meinung nach sehr umstritten.

4. Rohschokolade gesünder?

 

Eine auf den Prinzipien der Rohkost beruhende Schokolade, die einen hohen Kakaoanteil von mindestens 70 Prozent hat und keine Milch enthält, soll bei einem regelmäßigen und moderaten Konsum größere gesundheitliche Vorteile mit sich bringen als dunkle Schokolade aus geröstetem Kakao.

 

Folgender Grundsatz spielt hierbei eine maßgebliche Rolle: Je weniger eine Schokolade verarbeitet wurde, desto gesünder soll sie sein, weil so ein größerer Teil der gesunden Inhaltsstoffe des Kakaos erhalten bleibt. Damit sind vor allem die antioxidativen, entzündungssenkenden und gefäßerweiternden Eigenschaften der Kakaosamen gemeint, die im Rohzustand theoretisch noch besser vor Zivilisationskrankheiten schützen könnten. Wer würde denn nicht mit dem regelmäßigen Genuss von feiner dunklen Schokolade Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Diabetes vorbeugen? Wenn als positiver Nebeneffekt von Rohschokolade ein längeres und gelasseneres Leben möglich wäre, wäre das bestimmt der Traum vieler Menschen.

 

5. Rohschokolade – ein Mythos?

 

Der Begriff „Rohschokolade“ wird in meinen Augen aus Marketing-Gründen leider oft missbraucht. Stattdessen sollte man sich bewusst werden, dass rohe Kakaobohnen von Natur aus organoleptische Eigenschaften besitzen, die durch die Faktoren Mensch, Zeit und Umwelt beeinflusst und verändert werden. Das Ziel ist immer gleich: besserer Geschmack. So sind die in frischen Kakaosamen in hohen Konzentrationen enthaltenen Polyphenole, wenn sie direkt aus der Kakaoschote entnommen werden, für den bitteren und adstringierenden Geschmack „der Speise der Götter“ verantwortlich.

 

Aus diesem Grund ist es notwendig, dass die dominanten Bitterstoffe in den rohen Kakaobohnen durch Nachernteverfahren wie Fermentation und Trocknung von den Kakaobauern vor Ort gezielt abgeschwächt werden. Es ist gang und gäbe, dass im Rahmen einer Geschmacksverbesserung die Kakaobohnen nach der Ernte fermentiert und anschließend getrocknet werden.

 

Die nach der Ernte von den Kakaobauern durchgeführten Verarbeitungsschritte sind sehr wichtig und nicht wegzudenken. Erst dadurch können sich die positiven Kakao-Aromen entfalten, weil Bitterstoffe abgebaut werden. Gleichzeitig geht ein hoher Anteil der gesundheitsfördernden Pflanzenstoffe verloren. Bei den milden, von Natur aus weniger bitteren Criollo-Kakaos aus Venezuela ist sogar mit Polyphenol-Verlusten von bis zu 90 Prozent zu rechnen.

 

Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn Rohschokoladen-Produzenten durch das bewusste Weglassen der Röstung so viel wie möglich der nach der Fermentation übrig gebliebenen Pflanzenstoffe bewahren möchten. Notwendig ist es aber nicht, dass du Rohschokolade konsumierst, wenn du etwas für deine Gesundheit machen möchtest. Auch eine klassische dunkle Schokolade, wenn der Kakao schonend geröstet wurde, kann dir gut tun.

 

Auch bei einer sanfteren Röstungsmethode bleibt ein Teil der Kakao-Polyphenole erhalten. Wie es scheint, sind bei Röst-Temperaturen von 100 bis 120 Grad geringere Nährstoff- und Antioxidantien-Verluste zu erwarten als man früher gedacht hat. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass du dich nach qualitativen Produkten von seriösen Bean-to-Bar Herstellern umschaust. Denn in der Massenindustrie wird Kakao grundsätzlich deutlich über 120 Grad erhitzt und leider oft verbrannt.

 

6. Antioxidantien-Challenge: Rohkakao vs. länger gelagerte Kakaoschoten

 

Was Nährstoffverluste im Kakao betrifft, haben Wissenschaftler erst vor wenigen Jahren im Rahmen von praxisbezogenen Experimenten in Westafrika festgestellt, dass man die Pflanzenstoffe der Kakaobohnen unmittelbar nach der Ernte mit zusätzlichen Maßnahmen positiv beeinflussen kann. Gleich nach der Ernte wurden die frischen und noch ungeöffneten Kakaofrüchte noch vor der Fermentation eine ganze Woche herumliegen gelassen.

 

Anschließend stellte man anhand von Messungen fest, dass die Kakaobohnen dadurch nicht nur nährstoffreicher waren, sondern gleichzeitig auch süßer. Daraus könnte man schlussfolgern, dass trotz der relativ starken Antioxidantien-Abnahme während der Fermentation ein solcher Kakao, der von Anfang an über einen höheren Polyphenol-Anteil verfügt, diesen Vorteil auch nach Durchlaufen der Fermentation beibehalten kann.

 

In Bezug auf das Lagerungs-Experiment wäre es spannend zu erfahren, ob es geschmackliche Unterschiede zu einer Schokolade mit rohen Kakaobohnen gäbe, wenn wir die gesundheitlichen Aspekte nicht berücksichtigen würden. Bislang ist mir kein Chocolatier bekannt, der sich dieser Herausforderung gestellt hat. In Kombination mit einer leichten Röstung könnten die in den Schoten vorgelagerten Kakaobohnen eine hygienischere Alternative zur rohen Schokolade sein.

 

Bei einer Schokolade mit nicht gerösteten Kakaobohnen gibt es immer ein geringes Restrisiko hinsichtlich unerwünschter Keime. Hierzu äußerte sich der US-amerikanische Bean-to-Bar Schokoladenhersteller Colin Gasko (mit seiner kompromisslos idealistischen Herangehensweise gehörte er über ein Jahrzehnt zu den besten des Landes, musste aber 2019 aus ökonomischen Gründen seine Produktion leider einstellen) zum Thema Lebensmittelsicherheit in punkto Rohkakao, dass Menschen Rohschokolade niemals essen würden, wenn sie wüssten auf welche Art und Weise mancherorts Kakaobohnen möglichen Kontaminierungen ausgesetzt sind. So kommt es immer wieder vor, dass Kakao unter unhygienischen Bedingungen aufbewahrt wird. Es kann zum Beispiel passieren, dass Hühner auf den Kakaobohnen herumlaufen oder dort ihr Geschäft erledigen.

 

7. Zeremonieller Kakao: Kluges Marketing oder Innovation?

 

Angelehnt an die alte Maya-Tradition von heißem Trink-Kakao ist in den westlichen Ländern wie auch in Deutschland ein neuer Hype rund um Zeremonie-Kakao aufgetaucht. Dass was als zeremonieller Kakao – leider oft überteuert – vermarktet wird, ist jedoch im Grunde genommen nichts anderes als reine 100-prozentige Kakaomasse, die nach standardisierten Bean-to-Bar Regeln von der rohen Kakaomasse bis zum Endprodukt verarbeitet wird. Dabei wird der Kakao schonend geröstet, sodass nicht einmal scheinheilig argumentiert werden kann, dass mehr gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe von der Kakaobohne erhalten bleiben.

 

Stattdessen kann man auch jede x-beliebige Kakaomasse, die aus aromatisch hochwertigen und nachhaltig angebauten Edelkakaobohnen gemacht wurde, von seinem Lieblingsproduzenten nehmen und daraus z. B. ebenso eine genauso genussvolle und gesunde heiße Schokolade ohne Zucker und nur mit heißem Wasser oder pflanzlichen Milchalternativen zubereiten. Natürlich kann man das Kakao-Getränk nach Belieben zusätzlich mit Gewürzen wie Zimt, Chilli, Pfeffer, Ingwer oder Kardamom aufpeppen sowie alternative Süßungsmittel wie Kokosblütensirup oder Dattelsirup nehmen.

 

Und wer es besonders gesund mag oder Diabetiker ist: Eine vielversprechende Zuckeralternative, die einen besonders niedrigen glykämischen Index hat, aber gleichzeitig einen angenehmen melassig-süßen Geschmack, scheint Yacon-Sirup zu sein. Das in der Regel aus der peruanischen Yaconpflanze gewonnene Sirup enthält nur 20% Zucker, ist 40% kalorienärmer als normaler Zucker und erinnert geschmacklich am ehesten an europäischen Zuckerrübensirup. Der Vorteil hier im Vergleich zu anderen Zuckeraustausstoffen wie Erythrit oder Xylit ist, dass er keinen unangenehmen Nachgeschmack im Abgang hinterlässt.

 

Begriff „Zeremonieller Kakao“ angelehnt an die ursprüngliche Kakao-Tradition der Maya-Kultur

 

Die Begrifflichkeit des zeremoniellen Kakaos ist auf die rituelle Zubereitungsweise nach dem Prinzip der Mayas und dem anschließenden Trinkvorgang zurückzuführen, währenddessen z. B. gesungen, getanzt, geredet oder meditiert wird. Auf europäische Verhältnisse übertragen soll das Kakao-Getränk dem Konsumenten einfach nur gut tun, indem es für einen entspannenden Genuss- oder Wohlfühl-Moment – seelisch und/oder körperlich – sorgt – ähnlich wie beim Genuss eines guten Kaffees oder Tees.

 

Nicht mehr und nicht weniger, denn jeder Person bleibt es letztendlich sowieso selbst überlassen, wie, in welchem Umfeld und mit welcher persönlichen Intention, der Kakao verzehrt wird und wie intensiv magisch-spirituelle Gedanken dabei entstehen oder eben auch nicht. Tipps, wie man eine Kakao-Zeremonie gestaltet und wie sie sich auf unser Wohlbefinden auswirken kann, findest du hier.

 

Heiße Schokolade: ein beliebtes Allround-Heißgetränk in Mittelamerika

 

Gemäß der alten Tradition von Trinkschokoladen-Zubereitung aus der mittelamerikanischen Maya-Kultur trinken auch heute noch viele Einheimische in Ländern wie Belize oder Guatemala solche selbst gemachten Trinkschokoladen nach Maya Art. Getrunken wird das heiße und belebende Getränk vor allem zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder anderen Feierlichkeiten im Rahmen von fertiggestellten Häusern oder ähnlichem.

 

Regelmäßig eingesetzt wird Kakao in dieser Zubereitungsform auch zur Stärkung bei körperlich anstrengender Arbeit wie z. B. im Kakaoanbau oder bei krankheitsbedingter Energielosigkeit. Die Kakaobohnen werden von den Indigenen in Zentralamerika, die oft in einfachsten Verhältnissen leben, auf Steinplatten oder Schüsseln über einem Holzofen geröstet, die Schalen per Hand entfernt, anschließend in einer Art Fleischwolf grob vermahlen sowie mit den Händen wie ein Kuchenteig geknetet. Die daraus entstandene Kakaopaste wird in einem Topf zusammen mit heißem Wasser, Gewürzen und etwas Zucker zu einer kakaohaltigen Trinkflüssigkeit gekocht.

 

Fazit zum Zeremonial-Kakao

 

Mein persönliches Fazit in Bezug auf das neue Marketing-Konzept „zeremonieller Kakao“: Das, was als Zeremonie-Kakao bezeichnet wird, der z. B. zu besinnlichen Meditationswecken oder um psychisch Kraft zu tanken, konsumiert wird, ist keine Neuerfindung. Es ist schlichtweg zuckerlose Kakaomasse, die aus gerösteten und im Melangeur fein zermahlenen Kakaobohnen gemacht ist. Wenn du Lust auf ein zeremoniell angehauchtes Schokoladen-Getränk hast, musst du nicht unbedingt auf Produkte mit der Bezeichnung „zeremonieller Kakao“ zurückgreifen.

 

Du kannst hierzu jede beliebige Kakaomasse von deinem Lieblingshersteller nehmen. 100-prozentige Schokoladen, sowohl in Tafelform als auch in größeren Mengen in Kuvertüre-Blöcken oder Dropsform, werden mittlerweile von vielen Bean-to-Bar produzierenden Schokoladenunternehmen angeboten. Natürlich befinden sich darunter auch viele unterschiedliche Single-Origin-Varianten, sodass du sogar deinen persönlich bevorzugten Kakao-Ursprung nehmen kannst. Du hast also auch die Möglichkeit, deinen Lieblings-Kakao, den du bisher nur auf die traditionelle Weise genossen hast, auch als Getränk zu konsumieren.

8. Beliebtheit von Rohschokolade im Bio-Bereich

 

Rohschokoladen (bzw. minimal verarbeitete Schokoladen) spielen in der Bean-to-Bar Szene, die sich nach dem Prinzips der „Slow Food“ Bewegung schwerpunktmäßig auf Kakao-Qualität und Transparenz fokussiert, bis auf wenige Ausnahme nach wie vor keine große Rolle. Hingegen sind derartige Produkte im Bio-Sektor deutlich verbreiteter.

 

In den meisten deutschen Bio-Supermärkten findet man ein paar fest etablierte Marken, die mainstream-artig vermarktet werden. Abgesehen von den passabel schmeckenden, jedoch im Preis viel zu hoch angesetzten Bio-Rohschokoladen von „Ombar“, einem britischen Unternehmen, das offiziell ecuadorianischen Roh-Edelkakao verwendet, sind alle restlichen im Biohandel erhältlichen Produkte von den übrigen Herstellern geschmacklich ihr Geld nicht wert.

 

Kann demzufolge rohe Schokolade einem Feinschmeckergaumen überhaupt gerecht werden? Raaka, eine kleine Schokoladenmanufaktur aus New York, beweist mit hochwertigen Gourmetprodukten, dass es wohl möglich zu sein scheint, wenn ein bisschen „Schummeln“ bei der Erhitzung erlaubt ist. Solange aber offen und ehrlich nach außen kommuniziert wird, dass auch ohne den Kakao zu rösten, durch die anderen essenziellen Verarbeitungsschritte eine Schokolade nicht mehr als Rohware deklariert wird, sollte das kein Problem für die Kunden sein. Die Verbraucher werden nicht mit beinahe utopischen Versprechungen hinters Licht geführt, etwas zu bekommen, was sie sowieso nicht erhalten würden.

 

Rohschokolade beliebt bei gesundheitsbewussten Menschen

 

Die mittlerweile große Verfügbarkeit von Pseudo-Rohschokoladen in Biomärkten ist sicherlich auf den Anstieg von gesundheitsbewusst lebenden Menschen der jüngeren Generationen (Generation Z und Y) zurückzuführen. Der Großteil der Konsumenten weiß vermutlich nicht, welch großer Aufwand dahinter steckt, um wirklich gute Schokolade herzustellen.

 

Bis auf wenige Ausnahmen, die es in Form von hochwertigen, minimal verarbeiteten Schokoladen gibt, welche ich anschließend anhand von vorbildlichen Schokoladenherstellern (v. a. Raaka, Aruntam, Ethiquable, GeorgiaRamon) aufzeigen werde, lohnt sich der arbeitstechnische Aufwand für die Akteure in der Bean-to-Bar Szene nicht – weder finanziell noch geschmacklich.

 

Was den Konsum von Rohschokoladen aus dem Bio-Markt betrifft, besteht die größte Zielgruppe vermutlich am ehesten aus Menschen, die sich aus gesundheitlichen, ethischen oder Klima- und Naturschutzgründen vegan ernähren wollen und gleichzeitig Anhänger von Rohkost sind. Guter Geschmack mit einzigartigen Aromen, die puristische Single-Origin-Schokoladen auszeichnet, ist bei diesen Menschen wohl weniger oberste Priorität.

 

9. Preis-Leistungs-Verhältnis von Bio-Rohschokolade (oft miserabel)

 

Das Interesse für Rohschokolade im Feinschmecker-Bereich ist seitens der Konsumenten wie der Produzenten immer noch sehr gering. Was könnten die Gründe sein? Warum gibt es bisher von renommierten und auf bestmögliche Qualität setzenden Schokoladen-Unternehmen noch keine Produkte mit Rohkakao? Wollen sie lediglich kein Risiko eingehen, weil die Gefahr zu groß ist, dass ein nicht zufriedenstellendes Produkt dabei herauskommt?

 

Oder gehen sie möglicherweise nur den Weg des geringsten Widerstandes, indem sie sich überwiegend auf altbewährte Rezepturen und Gewohnheiten stützen, weil sie es nicht anders kennen? Gehört vielleicht Rohkostschokolade nur in die Gesundheitsbranche, weil es durch die fehlende Röstung ohnehin unmöglich ist, eine aromatisch perfekte Schokolade zu kreieren? Wird gar das Potenzial des neuen Trends zu Unrecht unterschätzt?

 

Rohschokoladen aus Bio-Märkten haben keine gute Qualität

 

Rohe Schokolade ist zwar in Supermärkten gut verfügbar, jedoch sind höchste Qualitätskriterien, wie wir sie bei einer guten Gourmet-Schokolade gewohnt sind, eher die Ausnahme. Wenn man die aktuelle Produktauswahl insbesondere im Bio-Lebensmittel-Sektor genauer unter die Lupe nimmt, lassen die Zutatenlisten vieler erhältlicher Rohschokoladen in Biomärkten viel zu wünschen übrig.

 

Fast immer noch handelt es sich weder um qualitative Bean-to-Bar Produzenten noch um transparent arbeitende Chocolatiers, sondern um Unternehmen, die sich auf Rohkostprodukte und Superfoods spezialisieren und nebenbei rohe Schokoladen anbieten. Solche Produkte setzen sich meistens aus Kakaobutter, Kakaopulver und natürlichen Süßstoffen wie Agavensirup oder Kokosblütenzucker zusammen. Die entscheidende aromatragende Kakaomasse fehlt oft vollständig, ist nicht Hauptzutat oder wenn sie vorhanden ist, ist sie von minderer Qualität und unter qualitativen und ethischen Gesichtspunkten nicht transparent genug.

 

Eine derartige Produkt-Philosophie hat meiner Meinung nach überhaupt nichts mehr mit Genuss und gutem Schokoladenhandwerk zu tun. Entweder fehlt es diesen Rohkost-Unternehmen an Know-how oder sie legen keinen großen Wert auf hohe Geschmacksqualität, geschweige denn es wird bean-to-bar produziert.

 

Mainstream-Rohschokoladen nicht transparent genug

 

Da es sich oft um Firmen handelt, die die Produkte nicht selbst produzieren, sondern hierfür Produktions-Partner haben, gehe ich davon aus, dass sie nicht einmal wissen, wie eine professionelle Bean-to-Bar Manufaktur im Idealfall ausgestattet sein müsste.

 

Außerdem wundert mich, was Kakaopulver in den minderwertigen Rohschokoladen, die man in den Bio-Märkten kaufen kann, überhaupt zu suchen hat. Das darin enthaltenen Kakaopulver soll zwar roh sein, wegen der stärkeren Verarbeitung im Vergleich zur Kakaomasse (da Kakaobutter an die Polyphenol-Bestandteile in der restlichen Kakao-Substanz gebunden ist, ist davon auszugehen, dass rohes Kakaopulver weniger polyphenolhaltig ist) bleibt sowieso umstritten, wie groß wirklich der gesundheitliche Nutzen trotz Rohkostqualität ist.

 

Noch gibt es in der Bio-Branche keine wirlich gut schmeckenden Rohschokoladen. Die Schokoladen von „Lovechock“ oder „Ombar“ gehören im Moment noch zu den besten, was das deutsche Bio-Segment zu bieten hat, wobei auch diese Produkte relativ schwach aromatisch sind (Grund: im Verhältnis zur Kakaomasse haben sie einen viel zu stark überhöhten Kakaobutter-Anteil) und nebenbei ein miserables Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.

 

Darüber hinaus sind die wenigsten dieser Schokoladen pur, sondern mit unterschiedlichen Zusätzen wie Vanille, Gewürzen, Trockenfrüchten, Nüssen oder Samen versehen. Solche Zutaten-Kombinationen erschweren den Zugang zum eigentlichen Kakao-Geschmack noch mehr.

 

10. So geht’s genussvoller, ehrlicher und transparenter – vorbildliche Bespiele aus der internationalen Bean-to-Bar Szene

 

„Native Schokoladen“ vom Bean-to-Bar Schokoladenhersteller Raaka aus New York

 

Es kein Zufall, dass es weltweit nur sehr wenige erstklassige Schokoladenhersteller gibt, die zwar nur annähernd oder sich nur teilweise an die Rohkost-Standards halten, aber deren Produkte nach dem aktuellen Verständnis als rohe Schokoladen beurteilt werden können, ohne dass aromatisch nennenswerte Unterschiede im Vergleich zu klassisch gerösteten Varianten feststellbar sind.

 

Nach dem Vorbild des Prinzips der Herstellung von nativem Gourmet-Olivenöl wird mithilfe einer minimalen Verarbeitungsmethode versucht, ohne Röstung den bestmöglichen Geschmack aus den Kakaobohnen herauszukitzeln. Ein solches Schokoladenunternehmen, welches dieses Thema ernst nimmt und genau solch entsprechende Techniken beherrscht, durch die Produkte von besonders hoher Qualität herauskommen, ist das US-amerikanische Unternehmen „Raaka“.

 

„Native“ Schokolade beruht auf dem Prinzip der Kaltpressung wie z. B. beim nativen Olivenöl

Die Schokoladen-Manufaktur befindet in New York’s Stadtteil Brooklyn und wurde 2010 gegründet. Der amerikanische Gourmet-Schokoladenproduzent spezialisiert sich auf minimal verarbeitete Ursprungs-Schokoladen und gehört auf diesem Gebiet zu den weltweiten Pionieren.

 

Im Gegensatz zu den Großunternehmen im ökologischen Mainstream-Sektor grenzt sich der Bean-to-Bar Hersteller bewusst von der Gesundheitsszene ab, indem er seine Schokoladen bewusst nicht als „rohe Schokoladen“, sondern als „native Schokoladen“ (auf Englisch „virgin chocolate“) bezeichnet – angelehnt an die Technik der Kaltpressung, wie man sie typischerweise beim Olivenöl oder Kürbiskernöl anwendet.

 

Für die Firmengründer Ryan Cheney und Nate Hodge soll mit ihrer „minimal processing“ Produktionsweise nicht der Gesundheitsaspekt, sondern der unvergleichliche Geschmack, der auch ohne große Hitzeeinwirkung erreicht werden kann, im Vordergrund stehen.

 

Raaka aus New York – transparente und ehrliche Produktionsweise

 

Auch wenn die Amerikaner von „Raaka“ die Kakaobohnen gezielt nicht rösten, so werden während der Verarbeitung bis zur fertigen Tafel – besonders beim Walzen und Conchieren im Melangeur – bedingt durch die Reibung Temperaturen von 55 bis 60 Grad Celsius erreicht, sodass ohnehin von roher Schokolade nicht mehr die Rede sein kann.

 

Damit aromatisch hochwertige Produkte entstehen können, verwendet die New Yorker Manufaktur nur bestmöglichen Edelkakao. Da der Röstvorgang, mit dem man auch Fehlaromen bei schlechterem Kakao kaschieren kann, weggelassen wird, so kommt es umso mehr darauf an, dass der Kakao von exzellenter Qualität ist. Raaka kauft deshalb den Edelkakao nur von international anerkannten Bio-Kooperativen. Dazu gehören „Kokoa Kamili“ aus Tanzania, „Pangoa“ aus Peru und „Öko Caribe“ aus der Dominikaninschen Republik.

 

Raaka – experimentierfreudige Kakao-Verarbeitungsansätze

 

Eine weitere Besonderheit neben dem Konzept der nativen Schokoladen ist das Herumexperimentieren mit außergewöhnlichen Zutaten, die im Zusammenspiel mit dem Kakao interessante Produkte hervorbringen. So hat das New Yorker Schoko-Team beispielsweise eine Schokoladensorte kreiert, bei der peruanischer Edel-Rohkakao über kochendem Cabernet Sauvignon Rotwein fermentiert wird.

 

Das hat dann zur Folge, dass die Weinaromen auf die Kakaobohnen übertragen werden, was sich anschließend mit entsprechenden Aromen im fertigen Endprodukt auswirkt. Auch stellt das amerikanische Unternehmen eine Schokolade aus fassgealterten Kakaobohnen her. Hierzu werden zwei Monate lang rohe Kakaobohnen aus Tanzania in Bourbon Cask Whiskey-Fässern gelagert. Auf diese Weise besitzt die Schokolade auch Aromen dieser besonderen Whiskey-Sorte, die ihr Noten von Frucht-Cocktail, Eiche und Kirschen verleiht.

 

Edelmond: Rohschokoladen-Pionier aus Deutschland

 

Auch im deutschsprachigen Raum gibt es kaum ambitionierte Schokoladen-Unternehmen, die minimal verarbeitete Schokoladen von ordentlicher Qualität produzieren. Im brandenburgischen Luckau gibt es aber die Schokoladenmanufaktur „Edelmond“, die sich seit Anfang an auf Rohschokoladen spezialisiert. Die Produktion erfolgt mit alten und selbst gebauten Maschinen.

 

Die Vermahlung des Kakaobohnen findet in einem großen Melangeur statt. Die deutsche Firma verwendet vor allem Bio-Kakao aus der Dominikanischen Republik, aber auch seltene Criollo-Sorten aus Venezuela. Edelmond verspricht sogar seinen Kunden bei der Verarbeitung im Melangeur niemals die für Rohkost kritische 46-Grad-Marke zu überschreiten. Kaum ein anderer Schokoladenhersteller, der Rohschokoladen in hoher Qualität produziert, ist so mutig, derartige Versprechungen bezüglich der Temperatureinhaltungen zu machen.

 

Persönlich habe ich schon öfter die unterschiedlichen Rohschokoladen des deutschen Kleinproduzenten probiert. Insgesamt ist die geschmackliche Qualität relativ konstant und auf einem passablen Niveau, wobei die Schokoladen auch nicht überragend sind Die Aromenprofile sind je nach Kakaosorte in der Regel relativ mild, nussig, keksig und würzig, aber auch mit fruchtigen und karamelligen Akzenten versehen.

 

Edelmond fokussiert sich schwerpunktmäßig auf Schokoladen mit einem hohen Kakaogehalt. Die meisten Ursprungs-Schokoladen enthalten über 80 Prozent Kakao. Die meisten Produkte werden mit Kokosblütenzucker gesüßt. Außerdem bietet Edelmond eine große Vielzahl an 100-prozentigen Rohschokoladen mit venezolanischen Edelkakaos an, d. h. sie bestehen nur aus Kakaobohnen.

 

„Aruntam“: die vermutlich weltbesten „nativen Schokoladen“ kommen aus Norditalien/Mailand

 

„Aruntam“ – so lautet die Devise und der Name eines erst seit 2017 existierenden norditalienischen Schokoladen-Unternehmens, das sich auf minimal verarbeitete Single-Origin-Dunkelschokoladen spezialisiert. Im Bereich von nativ hergestellten Schokoladen, die man quasi als Rohschokolade bezeichnet, gehören die Produkte meiner persönlichen Einschätzung nach zu den weltbesten, die man derzeit auf der Welt vorfindet.

 

Aruntam – hohe Aromen-Qualität ohne Röstung ist möglich

 

Die aus nicht geröstetem Edelkakao gemachten Schokoladen zeichnen sich durch ausdrucksstarke, teilweise relativ wilde sowie vielschichtige fruchtige und blumige Aromen aus, die mir sehr gefallen. Der Name „Aruntam“ bezieht sich auf den Geist des Mutes des indigenen Amazonas-Urvolks der Shuar. Denn die Shuar-Indianer gelten als die Beschützer des Regenwaldes Ecuadors.

 

Die Unternehmensgründerin Pia Rivera ist selbst Ecuadorianerin, lebt aber schon seit 1999 in Mailand. Entgegen der allgemeinen Lehrmeinung, dass eine Röstung erforderlich ist, um die positiven Kakaoaromen herauszukitzeln, beweist die italienisch-ecuadorianische Schokoladen-Newcomerin in der noch jungen Bean-to-Bar-Bewegung Europas, dass auch dunkle Schokoladen aus ungerösteten Kakaobohnen hocharomatisch, äußerst genussvoll und relativ wenig bitter sein können.

 

Ich muss gestehen, dass ich noch vor wenigen Jahren, als es die Produkte des kleinen Schokoladenherstellers aus Mailand noch nicht gegeben hat, lange Zeit skeptisch in Bezug auf das geschmackliche und aromatische Qualitäts-Potenzial von Roh- bzw. minimal verarbeiteter Schokolade gewesen bin. Seitdem ich aber mit der außergewöhnlichen Aromen-Qualität von „Aruntam“ in Berührung gekommen bin, habe ich meine Einstellung zu minimal verarbeiteten Schokoladen geändert. Die Produktion erfolgt in einer kleinen Bean-to-Bar Manufaktur in der Nähe von Mailand.

 

Aruntam – Debakterisierung mit Infrarotstrahlen

 

Für die Single-Origin-Schokoladen, die mit Kokosblütenzucker gesüßt werden, kommen qualitative Edelkakaos aus Ecuador, Peru, Nicaragua und Tanzania zum Einsatz. Da die Kakaobohnen roh belassen werden, aber trotzdem keimfrei sein müssen, werden sie mit mit Infrarotstrahlen debakterisiert. Die währenddessen entstehenden Maximal-Temperaturen sowie der zeitliche Rahmen dieser Methode sind ein streng gehütetes Betriebsgeheimnis, sodass auch mir hierzu keine genaueren Informationen vorliegen.

 

Es ist für mich jedoch gut nachvollziehbar, warum das Unternehmen gerade diesen Verarbeitungsschritt nicht bis ins genaueste Detail preisgeben möchte – um einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu haben. Der Großteil der Ursprungs-Schokoladen von Pia Rivera ist im Rahmen der „International Chocolate Awards“ (ein international bedeutender Schokoladen-Wettbewerb, der als inoffizielle Schoko-WM betrachtet werden kann) in den letzten Jahren bereits mehrfach mit Medaillen ausgezeichnet worden.

 

Weltklasse-(Roh)schokolade von „Ethiquable“

 

Wer hätte gedacht, dass auch klassische Fairhandels-Organisationen Weltklasse schmeckende Ursprungs-Schokoladen auf den Markt bringen, die mit international angesehenen Akteuren im qualitätsbewussten Bean-to-Bar Bereich auf Augenhöhe mithalten können?

 

Mit der noch ziemlich neuen 70-prozentigen Rohschokolade (Markteinführung im Frühjahr 2019) mit Bio-Edelkakao aus Ecuador von „Ethiquable“ ist genau diese Prämisse unter allen erdenklichen Gesichtspunkten nahezu perfekt gelungen: beeindruckend komplexe und rassig-fruchtige Kakao-Aromen, ökologisch, nachhaltig, sozial, menschenwürdig – und obendrein findet die gesamte Wertschöpfungskette in Ecuador statt.

 

Die vor Ort fermentierten und getrockneten Kakaobohnen werden im Anschluss bei „Ecuatoriana“, in einer auf Edelkakao spezialisierten Schokoladenfabrik in Quito, der Hauptstadt Ecuadors, bis zur fertig verpackten Schokoladentafel weiterverarbeitet.

 

Ethiquable – vorbildliches Fairhandels-Unternehmen

 

„Ethiquable“ ist eine 2003 in Frankreich gegründete Mitarbeitergenossenschaft, die fair gehandelte Bio-Lebensmittel (v. a. Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Getreide, Schokolade etc.) aus tropischen Entwicklungsländern in Europa vermarktet und sich dabei besonders für eine umfassend nachhaltig gestaltete Verbesserung der Lebensbedingungen von demokratisch organisierten Kleinbauerngruppen einsetzt.

 

Seit 2009 gibt es auch eine deutsche Zweigstelle mit Sitz in Berlin, die von Klaus Kruse als Geschäftsführer erfolgreich vertreten wird. Weitere Standorte befinden sich auch in Belgien und Spanien.

 

Da Großplantagen von „Ethiquable“ bewusst außer Acht gelassen werden und ausschließlich Kleinproduzenten, die sich zu Kooperativen zusammengeschlossen haben, unterstützt werden, verwendet die Organisation nicht das weitverbreitete Fairtrade-Label, sondern ein speziell darauf ausgerichtetes Kleinproduzenten-Siegel.

 

Das Besondere an diesem Siegel ist, dass es zu 100% im Eigentum der teilnehmenden Kleinbauern ist. Und da es von den Bäuerinnen und Bauern selbst erfunden und entwickelt wurde, ist es in sozialer, kultureller und ökologischer Hinsicht sicherlich auch deutlich effizienter und humaner und somit besser an die jeweiligen Lebensbedingungen und Bedürfnisse der vor Ort lebenden Menschen angepasst.

 

Für die minimal verarbeitete Ecuador-Dunkelschokolade werden lokale Edelkakaosorten (Nacional-artige Varietäten) verwendet, die von drei ecuadorianischen Bauern-Kooperativen nachhaltig mit agroforstwirtschaftlichen Mitteln angebaut und gepflegt werden. Es handelt sich um Bauern-Genossenschaften, mit welchen „Ethiquable“ schon seit Langem zusammenarbeitet: Kooperative APEOSAE (seit 2006, im Südosten Ecuadors), Kooperative FONMSOEAM (seit 2009, im Nordwesten Ecuadors), Kooperative UROCAL (seit 2010, im Südwesten Ecuadors).

 

Die in dieses Projekt mit eingebundenen Partnerorganisationen erhalten einen garantierten Festpreis von 4200 Dollar pro Tonne Kakao (etwa das Doppelte des aktuellen Weltmarktpreises) – natürlich ohne Zwischenhändler und im direkten Handel mit Ethiquable.

 

Rohschokolade mit hochwertigem Bio-Edelkakao – direkt in Ecuador produziert

 

Ethiquable’s Rohschokoladen-Strategie: strenge Hygiene-Praktiken bei der Ernte und Nachernte des Kakaos

Da es sich um eine minimal verarbeitete Schokolade (max. Verarbeitungstemperatur von ca. 45 Grad) handelt, bei der die bakterientötende Röstung der Kakaobohnen weggelassen wird, wurden die Kakaobauern von einem in Ecuador tätigen Agrarwissenschaftler geschult, besonders strenge Hygiene-Maßnahmen während der Nacherntephase anzuwenden, um Kontaminierungsrisiken zu minimieren.

 

So müssen die Bauern während der Ernte darauf achten, dass die gepflückten Kakaoschoten den Boden nicht berühren. Die vom Baum abgetrennten Früchte werden sofort in einen sauberen Beutel hineingelegt. Außerdem ist es sehr wichtig, dass die Farmer vorher ihre Hände und die Erntewerkzeuge desinfizieren.

 

Eine ebenso wichtige Rolle in Bezug auf das bakteriell empfindliche Rohschokoladen-Konzept spielt eine schnellstmögliche Lieferung zur Fermentationsanlage, nachdem die Kakaobohnen aus den Schoten herausgenommen wurden. Aus diesem Grund werden nur Kakaobohnen genommen, die sich in unmittelbarer Nähe (max. 1 Stunde Autofahrt) zum Fermentations-Zentrum befinden.

 

Da meines Wissens in der Schokoladenfabrik von „Ecuatoriana“ in Quito anscheinend kein spezieller Debakterisierungsvorgang wie z. B. mittels Infrarotstrahlen oder Heißluft durchgeführt wird, ist eine möglichst kurze Zeitspannne zwischen der Öffnung der Kakaoschoten und dem Fermentationsbeginn aus hygienischer Sicht umso wichtiger.

 

Hinweis: Es ist zu vermuten, dass die Herstellung einer rohen Schokolade in Europa schon alleine wegen des langen Transportweges ohne Debakterisierung nicht möglich ist (z. B. die italienische Bean-to-Bar Manufaktur „Aruntam“ von Pia Rivera, die zweifellos zu den besten Rohschokoladen-Herstellern Europas gehört, debakterisiert Kakaobohnen mit Infrarotstrahlen). Das Weglassen der Debakterisierung ist somit aufgrund der bereits genannten Gründe nur bei direkt im Anbauland produzierenden Schokoladenhersteller realisierbar, solange die hygiene- und transporttechnisch notwendigen Schritte eingehalten werden können.

 

Die Kakao-Fermentation erfolgt klassisch in Holzkisten. Diese werden allerdings zusätzlich mit Moskitonetzen geschützt. Auch bei der Trocknung wird auf strengere hygienische Maßnahmen geachtet. Anstelle von Betonlasuren oder Holzgestellen trocknen die Kakaobohnen rund zwei Wochen lang auf speziell entwickelten Gestellen, die mit einem feinen Maschendraht vor Insekten geschützt werden. Generell gilt, dass ab einem Feuchtigkeitsgrad von 7 Prozent keine bakteriologische Gefahr mehr besteht. In diesem speziellen Fall geht man aber auf Nummer sicher und reduziert den Wassergehalt sogar auf 3 Prozent.

 

Die fertig getrockneten Kakaobohnen werden anschließend, ohne geröstet zu werden, mit Rohrzucker und Kakaobutter zu einer puristischen, aromatisch intensiven Schokolade mit ausdrucksstarken Frucht- und Blumen-Akzenten verarbeitet. Auf Emulgatoren wie Sojalecithin und Aromen wie Vanille wird erfreulicherweise verzichtet.

 

Mein Fazit:

 

Native bzw. minimal verarbeitete Schokolade als vernünftiger Mittelweg entgegen dem heuchlerischen Rohschokoladen-Marketing-Trend

 

Ob rohe Schokolade, die streng genommen nicht existiert, im Vergleich zur normalen Schokolade tatsächlich gesünder ist, bleibt nach wie vor umstritten. Durch den Verzicht auf den Röstvorgang besteht immerhin die Gefahr, dass Keime in den Kakaobohnen erhalten bleiben, wenn die Bohnen zumindest nicht entbakterisiert werden oder keine strengen Hygiene-Maßnahmen in den Anbauländern befolgt werden.

 

Sogar Bio-Obst sollte vor dem Verzehr gründlich gewaschen werden. Vielleicht sollten wir uns wohl eher fragen, ob Genuss oder Gesundheit beim Konsum von hochwertiger Schokolade im Vordergrund stehen soll. Wenn die große Vielfalt an besonderen Kakaoaromen, wie sie in guten dunklen Schokoladen zu finden sind, nur eine untergeordnete Rolle einnimmt, können wir ja auch rohe Kakaobohnen oder Kakaonibs knabbern. Dass es möglich ist, aromatisch hervorragende Schokoladen auf Weltniveau aus zumindest fast rohem Kakao herzustellen, haben mittlerweile einige wenige Bean-to-Bar-Schokoladenhersteller, die ich vorgestellt habe, bewiesen.

Natürlich gibt es noch ein paar mehr Unternehmen im qualitativen Bean-to-Bar Sektor wie z. B. Pacari, Belyzium oder Georgia Ramon etc., die ebenso verhältnismäßig gute Schokoladen aus ungeröstetem Kakao produzieren.

 

Im Rahmen dieses Blog-Beitrags bin ich aber nur auf diejenigen Schokoladenproduzenten näher eingegangen, die aus meiner Sicht qualitativ besonders herausstechen. Echte Rohschokolade wird wohl nur ein Mythos bleiben. Dieser Begriff wird sowieso fast nur zu Marketingzwecken genutzt. Der Antioxidantien-Gehalt spielt aus meiner Sicht bei Feinschmecker-Schokoladen ohnehin kaum eine entscheidende Rolle, da die Produkte aufgrund der vielen Produktionsschritte, die sie durchlaufen, ohnehin nur noch einen Bruchteil der anfänglichen Polyphenole von frischen Kakaosamen enthalten – egal ob roh, halbroh oder geröstet. Weil Rohschokolade bei weitem nicht das Gleiche ist wie Rohkakao, scheint mir persönlich die Bezeichnung als „minimal verarbeitete oder native Schokolade“ ein vernünftiger Mittelweg zu sein.

 

Nach wie vor gibt es weltweit sehr wenige Schokoladenhersteller, die sich trauen, Single-Origin-Schokoladen aus ungeröstetem Edelkakao herzustellen. Wenn sich dieses Nativ-Konzept in Zukunft weiterentwickeln würde, hätten wir mehr Auswahl und könnten durch mehr Vergleiche auf jeden Fall besser beurteilen, welche qualitativen Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft wurden und wie groß das aromatische Potenzial von solchen Produkten tatsächlich sein kann.

 

Als Trost für alle Schokoladen-Enthusiasten habe ich zum Schluss auch eine positive Nachricht: viele Bean-to-Bar-Schokoladenhersteller rösten ohnehin die Kakaobohnen sehr schonend. So bleiben zumindest ohne Einbußen im Geschmack immerhin noch ein bisschen gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe des Kakaos erhalten.